Kompass Weltwirtschaft To Go #66.1: 5 Punkte für einen gerechten Handel mit Ländern des Globalen Südens

Show notes

Show transcript

5 Punkte für einen gerechten Handel mit Ländern des Globalen Südens

Kompass Weltwirtschaft To Go. 5 Punkte für einen gerechten Handel mit Ländern des Globalen Südens. Ich bin Bettina Müller, Referentin für Handels- und Investitionspolitik bei PowerShift und lese heute diesen Text, ganz ohne künstliche Intelligenz. Mensch gegen Maschine – was gefällt euch besser? Schreibt es in die Kommentare. Nun aber zum eigentlichen Thema...

Die europäische Handelspolitik löst alles aus, aber keine Freudentänze. In unserer Podcast-Folge 66 haben wir beleuchtet, zu welchen Fehlentwicklungen die Handelsabkommen der Europäischen Union in Lateinamerika führen, welche ungerechten Strukturen sie verfestigen. Die meisten Länder Lateinamerikas exportieren weit über 80% Rohstoffe und landwirtschaftliche Produkte in die EU, während wir verarbeitete Industrieprodukte mit einem hohen Mehrwert ausführen. Trotz der Versprechungen, EU-Handelsabkommen würden lateinamerikanischen Ländern bei einer Diversifizierung ihrer Wirtschaften helfen, findet diese real nicht statt. Das wiederum hat Auswirkungen auf das soziale Gefüge, Arbeitsplätze, Umwelt und Menschenrechte in Lateinamerika. Ein ungleicher Austausch, der an Kolonialzeiten erinnert und die Länder des Globalen Südens in einem Abhängigkeitsverhältnis zu den europäischen Industrieländern hält.

Aber es geht auch anders. Das neoliberale Kredo einer Margaret Thatcher „There is no alternative”, ist falsch. Selbst in Zeiten eines sich zuspitzenden Handelskonfliktes mit den USA und China gibt es Alternativen. Wie diese für den Handel mit Ländern des Globalen Südens aussehen könnten, darum soll es in diesem Podcast gehen. Anhand von 5 Punkten wollen wir schlaglichtartig aufzeigen, wie eine andere, eine gerechte europäische Handelsagenda aussehen könnte.

Weniger, aber gezielter Handeln! Wir leben und handeln über unsere planetaren Grenzen hinaus. Was und wieviel gehandelt wird, sollte sich nicht an unternehmerischen Gewinninteressen orientieren, sondern an den Kapazitäten unserer Erde. Bereits jetzt haben wir 7 der 9 natürlichen Grenzen unsere Planeten überschritten. Wir übernutzen sowohl unsere Wasser-, als auch unsere Landreserven und rennen sehenden Auges in die Klimakatastrophe. Die Produktion von Gütern für den globalen Handel und der damit verbundene Transport sind für bis zu einem Drittel der weltweiten Treibhausgasemissionen verantwortlich. Industrielle Landwirtschaft und Bergbau, deren Primärgüter hoch auf der Handelsagenda der EU stehen, sind sowohl Treiber von Abholzung als auch des Klimawandels und benötigen Unmengen an Wasser. Eine klimagerechte Handelspolitik treibt Handel nicht um des Handels willen voran, sondern konkret für gesellschaftlich notwendige Bereiche im Sinne des Gemeinwohls.

Der Handel muss vor allem auf Produkte beschränkt werden, die tatsächlich in den jeweiligen importierenden Regionen gebraucht werden. Gerade der Handel von landwirtschaftlichen Gütern muss dazu auf ein Minimum beschränkt werden, um lokale Produzent*innen nicht zu gefährden. Stattdessen müssen Initiativen für eine agrarökologische Landwirtschaft gestärkt werden. Landwirtschaftliche Güter, deren Produktion fast ausschließlich für den Export vorgesehen sind, wie Avocados, grüner Spargel und Soja und die in den Herkunftsländern zu Wasserknappheit, Gesundheitsschäden und Biodiversitätsverlust durch massiven Pestizideinsatz führen, dürfen nicht mit 0% Zöllen belohnt werden. Ihr Konsum sollte stattdessen minimiert werden.

Produkte, deren Vertrieb in der EU aufgrund ihrer Schädlichkeit für die menschliche Gesundheit oder unsere Umwelt verboten ist, dürfen nicht gehandelt werden. Dazu gehören in der EU nicht zugelassene Pestizide, Einwegplastik und in Zukunft auch Autos mit Verbrennermotoren. Entsprechend sollten auch keine Zollvergünstigungen über Handelsabkommen vereinbart werden. Insgesamt sollte der Handel mit fossilen und klimaschädlichen Gütern nicht weiter gefördert, sondern eingestellt werden.

Kreislaufwirtschaft sollte in allen Bereichen gestärkt werden. Grundsätzlich muss das Prinzip gelten “repair, reuse, recycle” (reparieren, wiederverwenden, recyceln). Gesetze, wie die EU-Verordnung zum Recht auf Reparatur, die Mitte 2026 auch in Deutschland als Gesetz gelten soll, sind ein Schritt in die richtige Richtung. Generell muss das europäische Produktions- und Konsummodell strukturell verändert werden. Denn nur, indem wir weniger Rohstoffe verbrauchen, können wir effektiv den Druck auf die Ökosysteme in anderen Ländern senken.

Technologie- und Wissenstransfer in die Länder des Globalen Südens muss gefördert werden. Der Aufbau von regionalen Wertschöpfungsketten darf kein Lippenbekenntnis bleiben. Kapitel und Klauseln in Handels- und Investitionsabkommen, die die staatliche Entscheidungsgewalt über die eigenen Rohstoffe und ihre Verwendung einschränken und Regierungen davon abhalten, Unternehmen, die im Land investieren, Auflagen zu machen, von denen das Land profitieren würde, müssen abgeschafft werden. Konkret geht es dabei um Rohstoff- und Energiekapitel, das Verbot sogenannte Leistungsanforderungen an Investoren zu stellen, aber auch Konzernklagerechte, die in Investitionsschutzkapitel oder -abkommen verankert sind. Gleichzeitig muss sichergestellt werden, dass in jedem Schritt der Lieferkette höchste Umweltschutz- und Arbeitsrechtstandards sowie die Menschenrechte eingehalten werden. Dazu brauchen wir ein starkes Lieferkettengesetz.

Diese fünf Punkte sind mit der aktuellen EU-Handelspolitik unvereinbar. Die europäischen Handels- und Investitionsabkommen orientieren sich nicht an den planetaren Grenzen, sondern an Gewinnvermehrung und Marktzugang für europäische Unternehmen. Verwerfungen in gesellschaftlichen Bereichen hinten denen keine finanzschwere Lobby steht, werden als Kollateralschäden in Kauf genommen. Der Widerstand gegen die Handels- und Investitionsabkommen der Europäischen Union, die sie derzeit nicht nur mit den südamerikanischen Ländern des Mercosur und mit Mexiko, sondern auch mit Indonesien, Indien, den Philippinen, Thailand und anderen abschließen möchte, ist notwendiger Bestandteil einer sehr viel breiteren gesellschaftlichen Debatte über eine grundlegende, strukturelle Veränderung der europäischen Wirtschaft und ihrer Wirtschaftsbeziehungen. Die Analyse der verhandelten und bestehenden Abkommen gibt Aufschluss darüber, wie es nicht laufen sollte und kann gleichzeitig Ausgangspunkt für die Erarbeitung anderer Handelsbeziehungen sein.

Denn so wie es ist, darf es nicht bleiben!

Das war Kompass Weltwirtschaft To Go. Wenn Ihr noch tiefer in das Thema eintauchen wollt, hört doch mal in die dazugehörige Folge von Kompass Weltwirtschaft rein. Mit unserer Moderatorin Nora Noll. Ihr wollt noch mehr zur Arbeit von PowerShift erfahren? Dann schaut auf unserer Webseite vorbei: www. power-shift.de

New comment

Your name or nickname, will be shown publicly
At least 10 characters long
By submitting your comment you agree that the content of the field "Name or nickname" will be stored and shown publicly next to your comment. Using your real name is optional.