Kompass Weltwirtschaft To Go #65.1: Zwischen Nickelboom und Palmölfluch – Rohstoffe im EU-Indonesien-Handelsabkommen

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Kompass Weltwirtschaft To Go #65.1: Zwischen Nickelboom und Palmölfluch – Rohstoffe im EU-Indonesien-Handelsabkommen

Willkommen zu unserer neuen Folge Kompass Weltwirtschaft To Go. Heute blicken wir auf das Handelsabkommen zwischen der EU und Indonesien – mit einem Fokus auf das Thema Rohstoffe. Denn hinter dem freundlich klingenden Namen "Comprehensive Economic Partnership Agreement", kurz CEPA, verbergen sich knallharte Interessen – und massive Risiken für Mensch, Umwelt und Klima. Doch worum geht es genau?

Seit Jahren verhandeln die EU und Indonesien über CEPA, ein umfassendes Handels- und Investitionsabkommen. Ziel ist es, Zölle zu senken, Investitionen zu erleichtern und sich den Zugang zu strategischen Rohstoffen zu sichern.

Indonesien ist dabei alles andere ein Leichtgewicht. Das Land ist weltweit führend bei der Förderung von Nickel, gehört zu den größten Produzenten von Bauxit, Zinn, Kupfer, Kohle und Gold und ist der mit Abstand größte Palmöl-Exporteur der Welt.

In Europa sind diese Rohstoffe heiß begehrt: für Batterien, Elektromobilität, Windkraft, Elektronik, Lebensmittel und die Chemieindustrie.

Klingt nach einer klassischen Win-Win-Situation? Nicht ganz.

Schauen wir zunächst auf Nickel. Indonesien förderte 2023 über 50 % des weltweiten Nickels – rund 1,8 Millionen Tonnen. Ohne diesen Rohstoff gäbe es keine E-Autos oder keine Energiespeicher.

Doch der Abbau von Nickel zerstört Regenwälder, verschmutzt Flüsse, vertreibt indigene Gemeinschaften und verursacht enorme CO₂-Emissionen.

Zum Beispiel in Sulawesi und Halmahera. Dort entstehen gigantische Industrieparks, an denen europäische Unternehmen längst beteiligt sind. Die Folge: Landkonflikte, Verlust traditioneller Lebensräume, kaum Regulierung – dafür hoher Gewinn.

Ein weiteres Beispiel für die verheerenden Folgen des Rohstoffabbaus in Indonesien: die Grasberg-Mine in Westpapua, eine der größten Gold- und Kupferminen der Welt. Täglich werden dort 238.000 Tonnen giftiger Abraum in Flüsse geleitet. Der Schaden für Mensch und Umwelt? Unermesslich.

Die EU fordert für das CEPA-Abkommen vor allem eines: freien Marktzugang zu Rohstoffen. Dafür wurde sogar eigens ein Kapitel geschaffen. Es verspricht "faire, transparente und nicht-diskriminierende Bedingungen". Klingt gut – bedeutet aber in erster Linie Sicherheit für Investoren, nicht für Menschen.

Indonesien hingegen will mehr Wertschöpfung im eigenen Land. Statt nur Rohstoffe zu exportieren, sollen diese künftig vor Ort verarbeitet werden – Stichwort Nickel-Raffinerien, Batterieproduktion, industrielle Eigenständigkeit.

Deshalb verhängte die indonesische Regierung Exportverbote für unverarbeitetes Nickel und Bauxit. Die EU reagierte prompt – mit einer Klage bei der Welthandelsorganisation. Der Streit ist bis heute nicht endgültig entschieden.

Das zeigt: Während die EU sich strategische Rohstoffe sichern will, kämpft Indonesien um wirtschaftliche Souveränität – und wird dafür international unter Druck gesetzt.

Doch das Problem liegt nicht nur im Abbau selbst, sondern auch im System dahinter.

Rohstoffe wie Nickel und Palmöl gelten in Europa als Bausteine der grünen Transformation. Doch ihr Ursprung ist häufig alles andere als grün: Zwangsarbeit, Kinderarbeit, Umweltzerstörung, massive CO₂-Emissionen – das ist der Preis, den lokale Gemeinschaften zahlen.

Laut Global Slavery Index sind in Indonesien rund 1,8 Millionen Menschen von Zwangsarbeit betroffen – viele davon im Bergbau oder auf Plantagen.

Auch die Klimabilanz ist verheerend: Laut offizieller Folgenabschätzung der EU könnte das CEPA-Abkommen in Indonesien jährlich bis zu 1,65 Millionen Tonnen zusätzliche CO₂-Emissionen verursachen.

Trotzdem enthält das Abkommen weder durchsetzbare Umwelt- noch Menschenrechtsklauseln. Kein Klagerecht für Betroffene, kein Sanktionsmechanismus bei Verstößen. Stattdessen: Handel um jeden Preis.

Ein gerechtes Handelsabkommen müsste Menschen- und Umweltrechte ins Zentrum stellen, und sie dem Handel überordnen.

Es müsste garantieren, dass lokale Gemeinschaften mitentscheiden können. Mit starken Schutzmechanismen und nicht nur Investitionsgarantien.

Und es müsste anerkennen: Eine wirklich nachhaltige Transformation kann nicht auf der Zerstörung anderer Regionen auf der Welt beruhen.

Wenn ihr mehr erfahren wollt, schaut in unseren „Reiseführer zum EU-Indonesien-Abkommen“. Und denkt daran: Gerechtigkeit ist kein Nebenprodukt – sie muss das Ziel von Handelspolitik sein.

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